
Im 19.Jahrhundert wurde Frankfurt als die europäische Stadt der Stadtpläne und Stadtansichten gepriesen; die meisten, und vor allem die schönsten Exemplare dieser beiden Gattungen würden Frankfurt darstellen. ein Ruhm, an dessen Erringung ganz bestimmt die Frankfurter Familie Merian mit ihren Plänen und Ansichten wesentlichen Anteil genommen hat.
Vor der Erfindung des Buchdrucks und der Produktion von preisgünstigem Papier anstelle von teurem Pergament, gab es gar keinen Bedarf an Stadtplänen, es sei denn an mystischen Darstellungen der heiligen Städte Rom und Jerusalem auf Wandteppichen oder als Buchillustration. Die damalige Käuferschicht solcher Darstellungen bestand aus Geistlichen und Adeligen, die konnten lesen und die interessierten sich nicht für Städte. Präzise Pläne von Klöstern und Burgen gab es schon früh, Pläne von Städten aber nicht.
Mit dem Buchdruck, der Reformation und auch der Gegenreformation wurde immer mehr gedruckt und die Leute lernten Lesen und Schreiben und konnte vielleicht auch der Bäckergeselle nicht lesen, der Bäckermeister konnte das schon eher und ganz bestimmt der Kaufmann und auch viele Kaufmannssöhne und sogar auch viele der Kaufmannstöchter und diese neue Leserschicht lebte in Städten. Die Meisten waren zufrieden, ihren Bildungshunger über die Yellow-Press zu stillen, mit Einblatt-Drucken, auf denen sie informiert wurden über mit zwei Köpfen geborene Kälber, über am Himmel gesichtete Kometen, über Fürstenhochzeiten, Kriege und Mord und Tatschlag, nicht anders also, als heute. Wer es aber genauer wissen wollte, der kaufte sich einen Almanach und aus so einem Werk stammt auch der Stadtplan oben links. 1550 abgedruckt in einem der frühen dieser Werke, in Münsters Cosmographia, zeigt es die erste detaillierte Stadtansicht Frankfurts (und mehrere dutzend anderer Städte) überhaupt. In der - ansonsten identischen - Stadtansicht in der lateinischen Ausgabe findet man die Angabe "Frankfurt 1549".
Überschrieben ist der Plan mit: "Franckfurt am Mayn die fürnemest und gemeinst Gewerbstatt Teutscher Nation" und im Begleittext kann man lesen, zu Römers Zeiten habe Frankfurt Helenopolis geheißen, sei von einem Markomannenprinz neu begründet worden. Der Frankenkönig Pipin habe hier eine Kirche gestiftet, sein Sohn Karl der Große auch und außerdem gebe es hier die tollsten Messen und die Kaiser würden auch hier gewählt. Helena und der Markomannenprinz - mit den Informationen, die man aus einem Brockhaus-Lexikon ziehen kann, kann sich das natürlich nicht messen, mit dem was man heute so im Internet über Frankfurt erfahren kann aber durchaus, was will man mehr!
Zeichner der Druckvorlage, aus der ein Schnitzer dann einen hölzernen Druckstock gefertigt hat, war der Frankfurter Portraitmaler Konrad Faber, der mit seinem Erstlingswerk eine hochpräzise Ansicht Frankfurt lieferte. Faber allerdings musste auf die Bedarfe seines Schnitzers achten, der seine Zeichnung eins zu eins in das Birnbaumholz übertrug. Er hatte also nur eine Doppelseite Platz in diesem Almanach und musste sich einschränken. Den Plan oben habe ich aus diesem Werk abfotografiert, so dass dem Reichadler in der Mitte der Bindung die Hälse fehlen.

(eigentlich sollten die beiden Frankfurter Adler in den Klauen des doppelköpfigen Reichsadler weiß und nicht schwarz sein, sehen wir es dem zeitgenössischen Illustrator der bestimmt fernab von Frankfurt lebte nach)
Frankfurt wird hier aus einem Südwest in Richtung Nordost Blickwinkel dargestellt (linke Buchseite), das südliche Sachsenhausen allerdings in West-Ost Richtung (rechte Buchseite), so dass es so aussieht, als würde der Main in einen See oder eine Bucht fließen, dadurch kann Faber aber alle wichtigen Gebäude von ihrer Schauseite zeigen. Da das ganze obere Drittel der Planansicht aber für den Adler und die Kartenlegende gebraucht wurden, musste Frankfurt noch etwas kleiner ausfallen und Faber verzichtete auf die Darstellung des kompletten Ostzipfels der Stadt, inklusive der dichtbevölkerten Judengasse. Da Frankfurt eine von ganz wenigen Städten in Westeuropa war, in der es überhaupt noch jüdisches Leben gab, war die Darstellung eines solchen Details aber auch nicht so werbewirksam und der Verlag verzichtete auf das Judenviertel. Als Faber aber drei Jahre darauf eine - wesentlich größere - Zweitauflage seiner Frankfurt-Ansicht zeichnete, den Belagerungsplan von 1552, holte er das nach.

eine gelbe Linie unter der Judengasse
1549 hatte Frankfurt schwere Zeiten hinter sich; zehn Jahre einer der Hauptorte des protestantischen Deutschland, hatte sich die Stadt zu Weihnachten 1546 dem katholischen Kaiser unterworfen. Frankfurt hatte daraufhin eine neunmonatige Besatzung der Stadt durch kaiserliche Landsknechte zu ertragen. diese brachten Not und Elend über die Bevölkerung, kosteten die Stadt ein Viertel ihrer Bevölkerung und die Stadt dazu noch sehr viel Geld, aber immerhin hatten die nun noch 10.000 Einwohner Frankfurts weiterhin das Recht die großen Messen des Deutschen Reichs und auch dessen Kaiserwahlen weiter auszurichten. Frankfurt war jetzt also im Gespräch, vielleicht auch das ein Grund, warum es die Stadt mit einer Ansicht in die Cosmographia gebracht hat, in frühere Ausgaben (seit 1545) oder auch in der Schedelschen Weltchronik von 1493, in der etwa 20 deutsche Städte mit relativ detailreichen Stadtfrontansichten dargestellt sind, war Frankfurt nur mit wenigen Worten beschrieben worden.
Seinen - auf zehn große Einzelblätter verteilten - Belagerungsplan muss Konrad Faber noch während der Belagerung (das protestantische Deutschland wollte das abtrünnige Frankfurt wieder auf Spur bringen) gezeichnet haben, denn kurz nach Ende der Kämpfe starb er. So war niemand mehr da, der Fabers Rechte wahrnehmen konnte und so konnten die Herren Braun und Hogenberg den Faber-Plan für ihren Almanach 1572 einfach "abkupfern". Das heißt, sie ließen den Plan von 1552 jetzt nicht mehr auf einen Druckstock aus Holz schnitzen, sondern ihn in eine Kupferplatte stechen, durch den wesentlich feineren Kupferstich im Vergleich zum gröberen Holzschnitt, konnte der Braun Hogenberg Plan auch ein bißchen den Größenverlust wieder gutmachen, denn die Stadtansicht musste ja jetzt wieder in ein Buch passen. Der Kupferstecher nahm den Belagerungsplan aus Vorlage, entledigte ihn allen Militärischen und gestaltete auch das Umland malerischer, das heißt, keine brennenden Dörfer mehr. Durch den Kupfer- statt des Holzdruckes konnte auch die Auflage deutlich erhöht werden und so ist der Braun-Hogenberg-Plan, neben dem Merianplan von 1761 wohl die am meisten verbreitete historische Stadtansicht Frankfurts geworden. Deshalb will ich hier die drei Faber-Pläne in meiner Betrachtung zu einem zusammenfassen und sie der Stadtansicht, die Elias Hoffmann 1583 vorlegte gegenüberstellen.
Ich habe diese gesüdete, nicht genordete Karte mit "1583" datiert. Im Allgemeinen wird 1582 für sie angegeben und auf dem Blatt, das mir zur Verfügung stand steht 1587. Möglicherweise ist sie 1587 erstmals herausgegeben worden, aber die Urzeichnung stammt sicherlich von 1583. sie ist nämlich dem Frankfurter Rat und dessen beiden Bürgermeistern, dem älteren Bürgermeister von Holzhausen und dem jüngeren Bürgermeister Reckmann gewidmet, da Achilles von Holzhausen und Hermann Reckmann aber nur 1583 gemeinsam das Bürgermeisteramt bekleideten, nicht vorher und auch nicht mehr später, kommt wohl nur diese Datierung in Frage.

Die Datierung 1582 leitet sich sicherlich von der Beschriftung auf dem Schießplatz: "Armbrust-Schiessen 1582" her,
Ein großes deutschlandweites Schützenfest war im August 1582 in Frankfurt abgehalten worden. Eine Woche lang schossen Armbrustschützen und dann noch einmal eine Woche lang die Büchsenschützen um Preise. Laut alter Chroniken, fand das Ganze auf der Mainzer Schütt statt, einer Maininsel südlich des Schneidwalls (am oberen linken Rand dieses Bildes, dort befindet sich heute der Nizza-Garten). auf dieser Darstellung befindet sich aber der Schießplatz südlich der Mainzer Landstraße, am Wallgraben, etwa da, wo sich heute der Altbau der Europäischen Zentralbank und das blaue Eurozeichen befinden. Verwirrend, vielleicht hatte Hoffmann seinen Plan noch vor dem Schützenfest gezeichnet.
Auch datierungsrelevant ist der Hirschgraben, dort liegt heute das Goethehaus. Der Hirschgraben war erst 1583 zugeschüttet und dann auch bald von Glaubensflüchtlingen aus den spanischen Niederlanden bebaut worden, auf allen vier Plänen ist der Hirschgraben aber noch in seinem alten Zustand zu sehen, der Hoffmann-Plan ist also wahrscheinlich 1582 entstanden und wurde 1583 dem Rat präsentiert und 1583 war Frankfurt, durch den starken Zuzug von Glaubensflüchtlingen keine Stadt mehr von 10.000, sondern eher eine von 15.000 Einwohnern.

Der Hirschgraben auf den Plänen von 1549, 1552, 1572 und 1583
Beide Pläne, die (zusammengefassten) von Faber, als auch der von Hoffmann zeigen auch Eigentümlichkeiten auf, so weist der Plan von 1549 die einzige mir bekannte Darstellung des Wehrturmes am Affentor in Sachsenhausen auf. Dieser war in Machart und Größe dem Eschenheimer Turm sehr ähnlich und war während der Belagerung von 1552 abgetragen worden, um ein freies Schussfeld für die Kanonen zu haben.

Überrascht war ich auf dem Faber-Plan von 1549 außer dem Eschenheimer Turm und dem Affenturm in Sachsenhausen noch einen dritten mächtigen Turm zu finden, der scheinbar größer ist als der Eschenheimer Turm und sehr an den Frankfurter Turm der Alten Brücke erinnert. Er befindet sich hinter der Peterskirche am Ende der Friedbergergasse, heute Bleichstraße, Ecke Petersstraße und taucht ansonsten auf keinem anderen Stadtplan Frankfurts auf, zumindest nicht in dieser monumentalen Größe, auch nicht auf dem Belagerungsplan und ist somit ein Mysterium.


Nach der endgültig vollzogenen Reformation in Frankfurt und dem Fortbleiben armer katholischer Pilger, wurde 1545 das St.Martha-Hospital an der Zeil/ Ecke Fahrgasse in das Zeughaus, in die Konstablerwache umgewandelt. auf keinem der Pläne findet das aber Erwähnung. Der Hoffmann-Plan nennt das Zeughaus sogar "Neues Spital", da sollten mittels Stadtplan wohl nicht zuviele militärische Geheimnisse ausgeplaudert werden.

Vielleicht hätte man bei der Besetzung Frankfurts 1547 und bei dessen Belagerung 1552 doch eher ein Spital, als ein Zeughaus gebraucht. Besonders 1547 waren Tausende von der Diphtherie und der Ruhr hinweggerafft worden und so hat es wohl das Pestilenzhaus auf dem Klapperfeld in die Legende des Planes von 1549 gebraucht. 1553 waren aus England geflohene Protestanten in diese Seuchenstation eingezogen, bald aber - in England wieder willkommen - auch wieder ausgezogen, so dass das Gebäude für die nächsten hundert Jahre Frankfurts Pest-, Pocken- und Syphiliskranken zur Verfügung stand.



Ist auf dem Faber-Plan von 1549 der Nürnberger Hof, das große Messe-Quartier der Stadt, im Gewimmel der Altstadt noch nicht einmal zu erahnen, ist er auf dem Belagerungsplan von 1552 klar erkennbar und auf dem Hoffmann-Plan auch schon in der Legende vermerkt. Verständlich, hatte doch der Messehandel im 16.Jahrhundert einen deutlichen Aufschwung genommen.

Während alle anderen Stadtpläne Frankfurts, die ich kenne, akkurate Maßstäbe aufweisen, meist in Werkschuh und Ruthen, später auch in Metern bemessen, müssen alle vier Pläne aus dem 16.Jahrhundert ohne auskommen. Der Hoffmann-Plan weist zwar in Frankfurts Süden einen auf; "Maßstab einer Meill Wegs Elias Hoffmann" (eine deutsche Meile = 7 Kilometer), allerdings sieht es so aus, als sei ein zweites Kartenblatt über das erste geworfen worden. Direkt vor der Beschriftung "Sachsenhausen" kann man Bommersheim und Oberursel lesen. Beide Ortschaften liegen aber nicht im Süden, sondern im Norden Frankfurts, ca. 15 Kilometer vom Main entfernt. Die Distanz zwischen Bommersheim und Oberursel beträgt etwa 2,5km, für diese beiden Orte ist der Maßstab also stimmig, für den großen Rest des Plans aber nicht.

Oft wird bemerkt, über wieviel "dekoratives Beiwerk" diese frühen Pläne verfügen würden. Was bestimmt nicht unter Dekoration fällt, das ist das Marktschiff. Dieses verkehrte zwischen Frankfurt und Mainz und war jahrhundertelang die einzige täglich verkehrende Verbindung zwischen zwei Städten im ganzen Reich. Das war ein Pfund, mit dem man wuchern konnte und so sieht man auf allen frühen Frankfurt-Plänen, auch noch auf denen der Merians, das mit geblähten Segeln, von Pferden gezogene Marktschiff auf dem Main. die einzige Ausnahme macht da der Belagerungsplan, denn während der Kämpfe ist das Schiff nicht gefahren.
Wie spätere Zeiten ihre chaussierten Landstraßen und dann die Bahnhöfe auf ihren Stadtplänen hervorhoben, so war das im 16. und im 17. Jahrhundert eben das Marktschiff.



Auch auffällig auf den alten Plänen, sind die Stockagen, hölzerne Barrieren im Fluß, die die Brücke und die Brückenmühle vor Eisgang aber auch vor driftenden Flößen schützen sollten. Auf dem Main gab es bis ins 20.Jahrhundert hinein einen regen Floßverkehr und diese oft mehrere hundert Meter langen Bauholzflöße sollten sich nicht vor der Brücke quer legen können und so wurden sie schon weit vor der Brücke abgefangen, wenn sie außerhalb der Fahrrinne auf das Brückenbauwerk zudrifteten.

Wegen der Südwest-Nordost Ausrichtung der meisten Pläne, sieht man zwar die Alte Brücke gut, wie oben auf dem Belagerungsplan, die Stockage bleibt aber schemenhaft. Bei Baggerarbeiten, die man 1899 an der neuen Fahrrinne vorgenommen hatte, war man auf mehr als 100 uralte, eisenbeschuhte Eichenpfähle gestoßen. Sofort wurde gemutmaßt, es müsse sie wohl um die Fundamente einer alten römischen Brücke handeln, die man eh schon lange bei Frankfurt vermutet habe. Die Stockage könne es unmöglich sein, hätten die Pfähle doch direkt vor dem Kuhhirtenturm gelegen und dieser sei wohl der alte Brückenturm gewesen. Dank seiner Nord-Süd Ausrichtung sieht man auf dem Hoffmann-Plan die alte Brücke fast aus der Vogelflugperspektive. Das ist bei der Brücke zwar nicht so schön, dafür sieht man aber die Stockagenreihen sehr gut und direkt vor dem Kuhhirtenturm, damals noch der "Elefant", befand sich eine zweite, von der man sich nach diesem Bild unten sehr gut vorstellen kann, dass sie aus eisenbewehrten Eichenpfählen bestanden haben könnte. Überprüfen kann man das heute leider nicht mehr, denn nachdem man solch einen Sensationsfund gemacht hatte, hat man die vollkommen schwarzen Pfähle am Ufer aufgestapelt und als Brennholz versteigert.
